Erst #Closedbutopen, dann offen, aber anders! #closedoropen Ein Gastbeitrag von Elke Schneider

Elke Schneider ist Referentin für Museumspädagogik im Museum für Kommunikation Nürnberg.

Die Woche ab 9. März 2020 war eine wilde: Es war für längere Zeit das letzte Vor-Ort-Meeting im Museum für Kommunikation Berlin mit der Möglichkeit bei einem „Medienpädagogischen Küchentalk“ dabei zu sein. Am folgenden Tag die ersten Absagen von zwei größeren Veranstaltungen im Berliner Haus der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, zu der neben „meinem“ Museum in


Nürnberg auch das MfK Frankfurt und drei Sammlungsstandorte gehören. Zurück im MfK Nürnberg zu einem Besuch von Kulturstaatsminister Bernd Sibler in einem unserer Smartphone-Kurse für die Generation 55plus: Begrüßung schon von Ellenbogen zu Ellenbogen. Am Abend das Unvorstellbare: das Museum wird ab 14. März geschlossen. Dann hektische Betriebsamkeit: Website ändern, Medien informieren, auf Facebook, Twitter, Instagram die Schließung kundtun und das Programm für die Wochenenden canceln. Vorerst bis 19. April ist ein wichtiger Teil meines Arbeitsbereiches Museumspädagogik ausgesetzt. Gebuchte Führungen, Schulklassenbesuche, Kindergeburtstage, Workshops müssen abgesagt werden.

Und nun? #closedbutopen

Home Office einrichten, Dienstbesprechungen als ViKos organisieren, kleinere Meetings per TelKo planen. Und nachdenken: Welche Angebote fehlen der Museumspädagogik? Wer von den Freien Mitarbeiter*innen möchte welches Thema als Konzept aufarbeiten? Dazwischen: täglich die RKI-Pressekonferenz verfolgen, Coronavirus-Update mit Christian Drosten hören und vor allem #closedbutopen mit Leben füllen, damit unser Publikum uns nicht vergisst. Online-Angebote prüfen: Was ist schon da? Unter dem Button Digital findet sich auf unserer Website eine ganze Menge – dank unserer Struktur mit drei Museums- und drei Sammlungsstandorten sowie einer zentralen Medienreferentin. Online-Besucher*innen erwarten digitale Ausstellungen als so genannte Expotizer, virtuelle Ausstellungen und Rundgänge bei Google Arts and Culture, digitale Sammlungen in Objektdatenbanken und die Ergebnisse von Coding da Vinci Süd 2019. Aber wo sind Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien, wichtige Adressaten in unserem Museum? Das sollte sich jetzt ändern. An Ostern gab es den ersten Mitmach-Post, Ende April den Launch eines umfangreichen Kinder-Bereichs auf unserer Website – und er wächst weiter.
Dazwischen immer wieder zahlreiche Herausforderungen bei den vielen Ideen, analoge Veranstaltungen ins Digitale zu bringen: Technik? Datenschutz? Kosten? Einfacher lässt sich eine Führung auf Instagram umsetzen, die die Bereiche des Museums, dessen Konzeption, Gestaltung

und zahlreiche Objekte der Medien- und Kommunikationsgeschichte in neun Stationen vorstellt. Dazu immer wieder Posts, welche die aktuellen Fragen der Krise in Exponaten aufnehmen: Das Horten von Klopapier, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Kann ein Museum relevant sein? Systemrelevant ist es gerade nicht. Am 15. April nimmt erstmals der Hamburger Erste Bürgermeister Peter Tschentscher nach einem Corona-Treff der Bund-Länder-Konferenz das Wort „Museen“ in den Mund und erklärt, beim nächsten Treffen am 29. April würde auch über sie gesprochen werden. „Vorerst geschlossen“ ändern wir auf allen Kanälen und nennen für eine Öffnung kein konkretes Datum mehr. 

Währenddessen läuft die Planung des digitalen Museumstages am 17. Mai: Digitale Projekte, die ursprünglich im Museum zu einer Veranstaltung konzipiert wurden, werden für die Website umgearbeitet. Im Zentrum unsere Rekonstruktion einer altägyptischen Grabkammer des Sennedjem. Sie ist nun mit einem interaktiven 360°-Panorama dauerhaft auf unserer Website verankert, Audio-Hotspots erläutern den Zusammenhang von Bild und Schrift. In einem #Let’s Play geht es mit unserem Volontär Christian Bihn durch ein Game vom Wohnort des Sennedjem zu seinem Grab und weiter in die Kammer, deren Original in 8,60m Tiefe zu finden ist – Gaming als spannender und ungewöhnlicher Weg der Vermittlung: Auch das ist weiterhin online verfügbar und damit ist der Einsatz, den die Erstellung erforderte, nachhaltig geworden. 

Planungen parallel: #openagain

Währenddessen aber auch: Planungen zur Wiederöffnung des Museums ab 19. Mai unter Vorgaben der „neuen Normalität“. Abstandsregeln, Besucherbegrenzung, Desinfektionsspender, Maskenpflicht sind noch einfach umzusetzen. Aber ein Museum, das nicht nur Objekte der Kommunikationsgeschichte präsentiert, sondern seine Besucher*innen an zahlreichen interaktiven und partizipativen Stationen zur Kommunikation anstiftet, stellt eine besondere Herausforderung dar. Jede einzelne Mitmach-Station wird geprüft und wir wenden das an, was wir den Veröffentlichungen zu Übertragungswegen entnehmen können: Schmier- und Tröpfchen-Infektionen, Aerosole? Unser Volontär sieht, wie vielfältig die Aufgabengebiete im Museum über die wissenschaftliche Seite hinaus sind: 

  • Können Wählscheibentelefone desinfiziert werden? Die beruhigende Antwort unserer Restauratorin: Ja, kein Problem und wenn: Ersatz wäre verfügbar.
  • Wie sieht es mit Griffen an Klappen und Auszügen und unserer Rohrpost aus? Unser Ausstellungstechniker testet und es funktioniert.
  • Können wir die Holzbauklötze des so genannten „Architekten“-Spiels desinfizieren, die Elemente des „Fährmann“-Spiels oder die Hieroglyphen- und Keilschrift-Stempel? Diese Angebote bestehen aus vielen Kleinteilen aus Holz. Wir nehmen sie vorerst aus der Ausstellung und stellen Spielanleitungen und Alphabete zum Mitnehmen auf.
  • Was müssen wir bei Papier-Karten und Holztäfelchen, die man in die Hand nehmen kann bedenken? Wir helfen uns mit laminierten Exemplaren, die das Abwischen erlauben.
  • Wie gehen wir mit den Touchscreens um? Wir schaffen Touchpens an, die wir kostenfrei an die Besucher*innen ausgeben. 

Aber wir müssen uns auch von Elementen verabschieden:

  • Von der Camera Obscura , in die man den Kopf stecken kann: Aerosole würden hier verbleiben.
  • Vom Röhrentelefon: Hier wären Tröpfchen und Aerosole ans andere Ende unterwegs.
  • Von der Taststation im Bereich „Sehen und Zeigen“.
  • Von der Zeitungsecke, in der man die aktuellen Nürnberg Tageszeitungen studieren kann.
  • Von der Hälfte der Tische in der sehr beliebten Schreib-Werkstatt, ebenso von den Kielfedern. Bambus- und Stahlfedern verbleiben in getrennten Gefäßen mit der Aufschrift „Gebraucht“ und „Ungebraucht“.

Manches kann aus der Ausstellung genommen werden, anderes muss dort verbleiben. Rot-weißes Flatterband zur Absperrung nutzen? Das wäre ein starker Eingriff in das ausgeklügelte Farbkonzept der Ausstellung und der Alltag nähme Einzug. Wir lösen es, indem wir die gesperrten Elemente mit Packpapier und Paketschnur einkleiden. Ein Anklang an die Post und an Christos Verpackungs-Aktionen: Temporär, improvisiert, nicht auf Dauer angelegt – Auspacken möglich. Eine schöne Erfahrung ist, dass nach vier Wochen Wiederöffnung das Papier immer noch ansehnlich ist und alle Schnüre noch da sind, wo sie sein sollen. Ein herzlicher Dank geht an unsere Besucher*innen, die respektvoll damit und mit allen Regeln umgehen. Aber sie kommen erst vorsichtig und nicht in der großen Zahl wie vor dem Lockdown. 
Nachdem am 2. Juni nun Regelungen für Führungen durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst bekannt gegeben wurden, starten wir am 21. Juni, am Tag vor unserem 118. Geburtstag, wieder mit öffentlichen Führungen. Mit Höchstteilnehmerzahl, Abstand und Maske. Eine Schulung zum Sprechen mit Mund-Nase-Schutz für die Freien Museumspädagog*innen offenbarte dafür zahlreiche handwerkliche Tipps einer Schauspielerin. Wir sind gespannt: Wie wird das Angebot angenommen?

Abbildungen:
Der letzte Smartphone-Kurs mit Kulturstaatsminister Sibler am 12.03.2020. Foto: MSPT/Berny Meyer
Schließungs-Info für Facebook, Twitter und die Website.
Screenshot des Instagram-Museums-Rundgangs.
Die nach den Vorgaben im Hygienekonzept veränderte Schreib-Werkstatt. Fotos: MSPT/sce Temporär gesperrte interaktive Stationen, teilweise mit Alternativangeboten. Fotos: MSPT/sce


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