Kurt Schwitters – Briefe aus fünf Jahrzehnten

Als Kurt Schwitters nach seiner Emigration nach Norwegen und der Flucht vor den deutschen Truppen 1948 in England starb, war er fast vergessen. Heute ist der „Kaspar David Friedrich der

dadaistischen Revolution“ (Huelsenbeck), der Erfinder des Materialbildes, der „Anna Blume“ und der „Ursonate“ . Er gilt als Avantgarde, war aber auch bei dada ein Außenseiter aus Hannover. Seine Weggefährten von einst sind als „Klassiker der Moderne“ ins imaginäre Museum des zwanzigsten Jahrhunderts eingezogen. Schwitters aber macht es den Kunsthistorikern noch immer schwer, ihn einzuordnen und das Phänomen seiner Aktualität zu erklären. Immer aufs neue irritiert er seine Interpreten.

Die hier vorgelegten Briefe und Postkarten aus den Jahren 1909 bis 1947 lassen verstehen, warum: Schwitters spielte mit den Verpackungen, Bruchstücken und verkommenen Resten unserer Kultur, er verarbeitete, verfremdete, Fahrscheine, Lumpen, Schrott, Gesprächsfetzen, Phrasen, Geräusche, Gefühle, Gedanken – und er „vermerzte“ sich selbst, bezog sich selbst ein in das Spiel, als das er Kunst verstand. Das Merzprinzip, grundsätzlich alles zum Material für Kunst zu machen, gilt auch für die eigenen Person. Schon in den zwanziger Jahren hatte sich Schwitters selbst zum Bestandteil seiner Kunst erklärt. „Ich bin Merz“. 1946 schreibt er an Raoul Hausmann: „Ich kann nicht ganz erfassen, was ich als MERZ anders schreiben könnte als MERZ.“Deshalb ist dieses Buch so etwas wie ein Merzbau aus Briefen.

Viele der Briefe sind selbst Wort-Kunstwerke:

„Geliebter Christof.

Geliebt sei Anna Blume, tit solei.
Anbei eine Anna und eine Kathedrale.
Geh in Dich, Christian, geh in die Drale.
Geliebt sei AnnaBlume, Chrithian!
Geh ein in die Pforten des geliebten Buches,
lies es in Demut, geh hin und zeuge.
Tit solei.
Geh hin in alle Welt und zeuge die
Wahrheit, die einzige Wahrheit, die es gibt: die
Wahrheit über Anna Blume.
Halleluja tit solei.

Kurt.“

Kurt Schwitters. Wir spielen, bis uns der Tod abholt:
Briefe aus 5 Jahrzehnten. Gesammelt, ausgew. u. kommentiert von Ernst Nündel.

Das Buch ist leider vergriffen und nur noch antiquarisch zu erhalten.



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