Quo Vadis PR und Öffentlichkeitsarbeit?

Jasmin Mickein hat die Ausstellung „What is Love“ an der Bremer Kunsthalle konzipiert, kuratiert und die PR und Öffentlichkeitsarbeit organisiert. Im Gespräch mit Frau Mickein ging es mir darum, herauszufinden, was die Besonderheit dieser Ausstellung war und welche neue Wege Sie in der PR, Öffentlichkeitsarbeit und dem Sponsoring gegangen ist.

Jasmin Mickein hat Kunstgeschichte und Komparatistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, und Betriebswirtschaftslehre an der Université de Genève und der Otto Beisheim School of Management in Vallendar studiert. Sie hat unter anderem in der Kommunikationsabteilung der Siemens AG und als Assistentin in der Geschäftsführung einer Bertelsmann Tochter in Paris gearbeitet. Ans Museum kehrte sie 2010 als Marketingleiterin im Kunstverein Kestnergesellschaft in Hannover zurück. Seit 2012 ist sie Leiterin der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Kunsthalle Bremen.

Blick in die Ausstellung (Foto: Melanka Helms)


JB: Die Ausstellung „What is Love“ hat große mediale Aufmerksamkeit bekommen. Wie sind Sie auf die Idee zu einer Ausstellung über die Liebe gekommen und was ist das besondere daran?

JM: Die Kunsthalle Bremen möchte sich öffnen und junge Besucher*innen erreichen, eigentlich wie alle anderen Museen auch. Deshalb stand bei diesem Projekt für mich am Anfang eine Frage, die mit Kunst erst einmal nichts zu tun hat: Worüber sprechen junge Menschen um die 30 zu Hause auf dem Sofa mit Freunden? Die Antwort war schnell gefunden: Liebe, Beziehungsformate und Online-Dating. Dass sich ältere Kunst mit Liebe befasst ist klar. Überraschend war für mich, dass sich auch zeitgenössische Kunst schon mit Online-Dating beschäftigt.
Alle Vermittlungstexte waren zudem interdisziplinäre und haben Liebe aus biologischer, philosophischer oder psychologischer Sicht thematisiert.

Blick in die Ausstellung (Foto: Melanka Helms)


JB: Was war Ihr Ziel bei der PR und welche neuen Wege sind Sie bei der PR und Öffentlichkeitsarbeit gegangen?

JM: Mein Ziel war es eine Debatte anzufachen d.h. nationale und internationale Aufmerksamkeit zu erzielen und junge Erstbesucher zu erreichen. Dafür war der Begriff „Tinder“ für mich zentral. Die App ist umstritten, die meisten Menschen unter 35 haben sie schon mal ausprobiert oder kennen jemanden, der Erfahrungsberichte auf Lager hat. Institutionell wurde Online-Dating und der Einfluss der Digitalisierung auf das Liebesleben bisher aber kaum diskutiert.

JB: Welche Rolle spielten die Social Media? Welchen Kanal haben Sie wie bespielt?

JM: Die Ausstellung war absichtlich instagramable gestaltet, mit farbigen Wänden und geplotteten Popmusik-Zitaten. Unser Partner Tinder hat die Ausstellung außerdem in der App beworben und so eine zusätzliche Zielgruppe in der Region auf die Schau aufmerksam gemacht. Darüber hinaus haben wir regulär unsere Social Media-Kanäle mit dem Hashtag #VonAmorBisTinder bespielt und einen Film in Form einer Miniführung für YouTube gedreht.

JB: Welche Bedeutung hatten Veranstaltungen für die Ausstellung gespielt? Welche haben Sie angeboten?

JM: Wir haben bewusst Veranstaltungen für junge Zielgruppen angeboten, wie zum Beispiel Single-Abende für um die 30 Jährige, eine Kunstrausch-Party von und für Studierende sowie eine Tinder Night Party für Singles. Die Single-Abende und den Kunstrausch bieten wir allerdings in ähnlicher Form auch darüber hinaus an.

Blick in die Ausstellung (Foto Melanka Helms)


JB: Wie war letztlich die Reaktion der Besucher auf die Ausstellung?

JM: Die Resonanz war überwältigend. Das Durchschnittsalter konnten wir für diese Ausstellung um rund 20 Jahre auf 37,6 Jahre senken. Der Anteil der Erstbesucher umfasst 48%, was für unser Museum phänomenal ist.
Es gab aber natürlich auch Kritik. Sowohl von klassischen Besuchern, die schockiert waren von dem ungewöhnlichen und niedrigschwelligen Vermittlungsansatz sowie dem Thema aber auch von Erstbesuchern, denen die Präsentation zu klein war und nicht genug in die Tiefe ging. Diese Reaktionen sind für uns sehr gut nachvollziehbar und verdeutlichen gewisse Grenzen der Schau, über die wir uns im Vorfeld klar waren. Beziehungsweise macht es die Grätsche deutlich, dass man bei jungen Projekten dem klassischen Publikum nicht verbieten kann zu kommen und nicht jedem gefallen kann. Wer wagt, provoziert auch.

JB: Wie haben Sie Tinder als Sponsor gewonnen? Gab es keine Vorbehalte im Museum?

JM: Die Kunsthalle Bremen ist ein privatgetragenes Museum und muss über die Hälfte ihres Budgets selbst erwirtschaften. Es ist also für die meisten Ausstellung notwendig, Sponsoren und Förderer zu finden. In jedem Fall findet eine Zusammenarbeit mit einem Sponsor nur statt, wenn sichergestellt wird, dass der Sponsor keinen Einfluss auf den Inhalt beansprucht. In diesem Fall haben uns anfangs Sorgen gemacht, wie die Presse auf die Kooperation reagiert. Allerdings hat die Schau sich auch kritische mit dem Thema Online-Dating auseinandergesetzt, weshalb die inhaltliche Unabhängig sichtbar war und nicht thematisiert wurde.

JB: Wie groß war Ihr Team, um die umfangreiche Medienarbeit zu leisten?

JM: In meiner Abteilungsind standardmäßigeinefeste Stelle und eine Praktikantenstelle besetzt. Für die Ausstellung wurde für ein paar Monate eine weitere Praktikantenstelle geschaffen.
 

 JB: Was sind die Pläne für die Zukunft? Was bleibt von dem innovativen Ansatz für PR und Öffentlichkeitsarbeit?

JM: Wir versuchen aus diesem Erfolg Ideen für kommende Ausstellungen oder die Präsentation der ständigen Sammlung abzuleiten. Ein wichtiger Ansatz, den wir auch im Vorfeld schon bei Ausstellungen verfolgt haben, ist die Anknüpfung an Alltagsthemen.

JB: Liebe Frau Mickein, ich danke Ihnen für das Gespräch!



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