Als ich den Artikel „Stoppt die Banalisierung“ in der ZEIT (Feuilleton, Ausgabe Nr. 13, März 2015, S. 55) las, dachte ich – och nö, das kann doch nicht sein …
Und ich dachte und vermutete: wieder diese konservative, bildungsbürgerliche Argumentation. Und das von Wolfgang Ullrich, Professor für Kunstwissenschaften in Karlsruhe.
Und wieder bloß das Kunstmuseum – wo es doch Vermittlung und die damit verbundenen Anforderungen in allen Museen gibt.
Da klangen mir die „Argumente“ der Museumsdirektoren aus meiner Studienzeit der Kunstgeschichte Ende der 80’er, Anfang der 90’er Jahre wieder in den Ohren. Da musste das Kunstwerk für sich „allein wirken“! Jegliche Vermittlung war verpönt. Schulklassen durfte man gnädig „Wissen vermitteln“. Also legte ich den Artikel etwas resigniert beiseite und vergaß ihn…
Darum lasst uns trefflich streiten – Diskussion über „Vermittlung“
Um so mehr war ich positiv erstaunt und erfreut über die Diskussion, die der Artikel ausgelöst hat! Besonders Lisa-Katharina Försters‘ sehr differenzierte und fundierte Erwiderung sprach mir aus dem Herzen. Und ich konnte es kaum glauben, welche Vielzahl an Reaktion diese auslöste! Eine sachliche, fundierte und kontroverse Diskussion über Vermittlung im Museum – wunderbar! Vielleicht, dachte ich mir, hat Prof. Ullrich den Artikel in seiner etwas polemischen Überspitzung gerade auch aus diesem Grund geschrieben 😉
Wie dem auch sei, die Kommentare von Prof. Ullrich selbst fand ich sehr aufschlussreich und sie revidierten den ersten Eindruck. Es wurde klar, dass er nicht der Kunstvermittlung ihr Recht abspricht sondern eine Diskussion über das „Wie“ und die Grenzen der Vermittlung anregen möchte.
Die Machtfrage oder wann wird die Vermittlung einbezogen?!
Bei mir fängt die grundsätzliche Problematik mit derVermittlung jedoch schon vor der eigentlichen Eröffnung der Ausstellung an, nämlich beim Einbezug der Vermittelnden in die Ausstellungsvorbereitung – und das ist immer noch eine Machtfrage. Vermittlung heißt bei vielen noch Museumspädagogik (über die Problematik mit dieser Bezeichnung ließe sich auch einmal intensiver beschäftigen) und muss sich immer noch mit vielen Vorurteilen herumschlagen. Museumspädagogik wird nach meiner langjährigen Erfahrung noch viel zu oft lediglich als „Bespannung für Kinder“ verstanden. Die Wissenschaftler machen die Ausstellung und die Museumspädagogen dürfen sich dann im Anschluss „ein Programm“ ausdenken. Leider ist diese Vorgehensweise immer noch allzu oft Realität. Aus meiner Sicht tun sich besonders die Kunstmuseen schwer, die Vermittlung als gleichberechtigt neben bspw. den Kuratoren und dem Sammlungsmanagement anzusehen. Es gibt häufig noch die ausschließende, konfrontative Denkweise – hier die Wissenschaftler, dort die Museumspädagogen. Doch gerade hier läge eine große Chance!
Wie vermitteln?
Michael Matthes hat schon vor einigen Jahren die These aufgestellt: Das Museum der Zukunft ist weniger durch das bestimmt, was es vermittelt, als vielmehr durch das, wie es vermittelt (s. dazu:Michael Matthes, Thesen zu einem Gang ins Museum, in Geschichte, Erziehung, Politik,6/1994). Gottfried Korff spricht von einer „Rückgewinnung von Ding und Raum“! Er führt aus: „Im Museum trifft der wahrnehmende Körper auf den dinghaft bedeutungsvollen Körper – und Körper brauchen den Raum für Bewegung und Darstellung. Die Begegnung der Körper (Subjekte und Objekte) spielt bei der Vergegenwärtigung von Bedeutungen eine wichtige Rolle.“(Gottfried Korff, Betörung durch Reflexion, in: Dingwelt. Das Museum als Erkenntnisort, 2005).
Die Vermittlung verweist (bzw. sollte darauf verweisen) auf die besondere Situation im Museum. Diese ist bestimmt von den Absichten der Veranstalter, den Erwartungen, dem Vorwissen und den Erfahrungen der Besucher sowie von den Erkenntnismöglicheiten der ausgestellten Objekte. Matthes führt in seinem Aufsatz aus, dass in den museumsspezifischen Situationen alle drei aufeinander bezogen sind.“
Die Rolle der Medien
So hip und aktuell massenmediale Hilfsmittel erscheinen, sie kennzeichnen nicht die Besonderheit des Mediums Museum. Häufig werden sie relative sinnfrei eingesetzt.
Und häufig beziehen sich die Erfahrungen, die die Museumsbesucher machen, auf die Nutzung der Medien, nicht der Objekte. Indem immer mehr Technik zwischen die Besucher und die Objekte tritt, werden beide auf Abstand gehalten. Dagegen steht ein vorrangig (!) an seinen Objekten orientiertes Museum. Matthes dazu: “ Es produziert mit der durch die von der Unvollständigkeit seiner Objekte erzwungenen Offenheit Situationen, die auf individuelle Erfahrungen aus sind.“
Dialog ist der Schlüssel
Ein Museumsbesuch, bei dem die Objekte zu einer Herausforderung für den Besucher werden und nicht zu einer Veranschaulichung von gelerntem Wissen dienen, führt zu einem Dialog zwischen Objekt und Betrachter. Oft ist bei dem Besuch in Gruppen der Dialog zwischen den Besuchern über die Objekte genauso wichtig. Es bedarf der Kommunikation, um zu erkennen, was ausgestellt ist. Matthes formuliert es so: „Es geht um die Realisierung von Interaktion zwischen Objekt, Veranstalter und Besucher, die Ernst macht damit, dass das Museum von seiner Grundstruktur eine demokratische Einrichtung ist, bei der es auf die Wahrnehmung eines jeden einzelnen ankommt. Es gilt, über die verschiednen Objekte unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse zu gewinnen, die Eingang finden in die Deutung der Welt und in unser Handeln.“ Nicht mehr und nicht weniger!
Struktur und Qualität!
Aus meiner Sicht sollte die Vermittlung noch stärker als bisher zur Chefsache werden! Schon bei der Planung der Ausstellungen muss die Vermittlung einbezogen werden. Die Strukturen sind ein Macht- und ein Qualitätsfaktor. Wer die Museumspädagogen mit Ansprüchen fordert, stärkt sie auch. Nicht von Zielgruppen sollte gedacht wenn sondern von den Sammlungszielen und von den grundsätzlichen Zielen der Museen!
Das ist sicher noch ein Stück Weg – aber es lohnt sich ihn zu gehen!
Ich wurde gefragt, also antworte ich….
Wie ist das denn nun bei uns mit der Vermittlung? Schließlich sind wir ja in Planung und damit am besten Punkt, um die Vermittlung gleich einzubinden. Das tun wir auch. Ich habe zwar das Gefühl, dass die Kuratoren (ich sage so ungern Wissenschaftler, weil es immer so klingt als wären die anderen keine Wissenschaftler) bei uns schon sehr an die Besucher denken, trotzdem ist unsere Museumspädagogin bei allen Konzeptionstreffen dabei und ärgert uns! Und das ist auch gut so. Wir sind halt immer wieder Freaks des besserwissenden Details und das hilft später in der Ausstellung niemand, außer dass man bei den Fachkollegen Eindruck schafft.
Unser Team, das verantwortlich das Museum konzipiert sieht so aus: Chefin, Ausstellungsleiter, Sammlungsleiterin, Museumspädagogin, PR-Leiterin. Alle können hier gleichberechtigt sprechen. Ab 2018 haben wir (hoffentlich) dann noch einen Community Manager. Es wird also nicht im Nachklapp ein Programm entwickelt, sondern die Ausstellung selbst muss schon so konzipiert sein, dass sie vermittelte.
Das kann auch dazu führen, dass Themen rausfliegen, weil sie eben nicht vermittelbar sind, zumindest im Rahmen einer Ausstellung, weil sie zu viel Wissen voraussetzen oder die Ausstellung dadurch nur noch „schwere Kost“ ist und das „Leichte“ fehlt. Das heißt nicht, dass wir uns um unliebsame Themen drücken, sondern dass manche Kuratoren-Orchidee beschnitten wird.
Der wichtigste Lehrsatz meines Volontariats war ein Ausspruch von Oskar von Miller: „In der Ausstellung muss niemand sehen wie intelligent der Kurator ist.“ Das ist jetzt sicherlich nicht eins zu eins wiedergegeben, aber der Inhalt ist klar.
Zu den Medien.
Vor der Zusammenarbeit mit den Gestaltern gab es ein Medienkonzept. Welche Medien wollen wir wo und welche Aufgabe haben sie? Das waren die ersten Fragen dazu mit denen wir angefangen haben darüber nachzudenken. Das erste Konzept war sehr radikal und verbannte alle Monitore aus der Ausstellung. Alle digitalen Inhalte sollten lediglich über das Smartphone abrufbar sein. Entsprechen haben wir eine WLan Ausleuchtung in allen öffentlichen Bereichen und sehr viel Platz für Server im Gebäude. Inzwischen ist das ganze etwas aufgeweicht und die Medien haben auch ein bißchen Einzug in die Ausstellung erhalten, aber wirklich sehr eingedämmt. Trotzdem gilt der Grundsatz: wer ohne Smartphone ins Museum kommt, muss ein vollwertiges Museumserlebnis haben und die wesentlichen Informationen dürfen ihm nicht entgehen. Für uns müssen die digitalen Medien immer eine Verbindung zur realen Welt haben, sonst sind sie Schmuckwerk. Und sie müssen ihre Besonderheit ausspielen. Über sie muss das gemacht werden, was nur über sie geht. Dabei geht es nicht darum state of the art zu werden, sondern der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen, dass das Gerät für viele inzwischen Hauptinformationsquelle Nummer 1 ist. Diese Gewohnheit braucht man bei uns in der Ausstellung nicht ablegen.
Pingback: Vermitteln, Medien, etc. – eine Debatte. | blog Stadtmuseum Stuttgart
Es sollte nur ein Kommentar werden. Jetzt habe ich auch noch einen Blogbeitrag daraus gemacht:
http://www.stadtmuseum-stuttgart.de/blog/stadtmuseum/2015/05/18/vermitteln-medien-etc-eine-debatte/
Vielen Dank für die Einblicke in Eure Planung – sehr interessant! Folgende Nachfragen hätte ich:
_ du schreibst, dass „die Ausstellung selbst … schon so konzipiert sein (muss), dass sie vermittelt.“ Wie sieht das denn konkret aus?
_ was ist denn für das Smartphone geplant?
Nach Ende der Mittagspause und der ersten Sitzung.
Zur ersten Frage. Ich dachte, dass ist eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich eine Ausstellung nur mit einem Vermittlungsprogramm verstehe, dann habe ich etwas falsch gemacht. Wie schaffe ich Zugänge in der Ausstellung, der Menschen mit unterschiedlicher Vorkenntnis dazu einlädt sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ist es immer geschriebener Text? Oder vielleicht doch eher ein Hörspiel? Baue ich Zugänge wie Biographien einzelner Personen zentral in die Ausstellung ein, um eine größere Nähe zu schaffen? Solche Dinge probieren wir. Interesse wecken durch das Ansprechen verschiedener Sinne und Formate. Nähe schaffen durch Bezüge zur eigenen Biographie. Das hilft beim Vermitteln. Wobei ich hier wiederum den Begriff nicht so mag. Wir wollen Denkanstöße geben. Ein Ideal wäre für uns, dass Objekttexte wie Blogbeiträge sind, die die Besucher kommentieren können. Wir wollen auch im Museum nicht nur Sender sein und vermitteln, sondern auch Empfänger werden.
Damit bin ich auch bei Frage 2. Das Smartphone ist das eigene von zuhause. Im Museum gibt es eine App dafür, auf die Videos, Fotos u.ä. in der Ausstellung gestreamt werden. Aus der Ausstellung heraus sollen die sozialen Medien genutzt werden. Sich mitteilen, was man gesehen hat, was man darüber denkt, oder eben unsere Texte kommentieren. Klingt nach Aufwand! Wird es sein und ich hoffe, dass wir es umsetzen können. In der Stadt soll der Nutzer an Geschichte und Geschichten aus dem Stadtmusuem erinnert werden. Oder sein Lieblingsgeschichten aus dem Museum mitnehmen und an die Orte geführt werden, die damit verbunden sind.
Ich hoffe damit habe ich (wieder auf die Schnelle) die beiden Fragen beantwortet. Freue mich über Anregungen und Meinungen.