Benedikt Behm-Henkel arbeitet seit 2006 als Oberaufsicht im Museum für Kommunikation Berlin. Zu den Aufgaben des 42-Jährigen gehört es unter anderem, die Sicherheit der Besucher*innen des Museums und seiner Exponate zu gewährleisten. Er achtet auf die Einhaltung der Besuchsordnung, ist zuverlässiger Ansprechpartner für die Gäste und verbringt etwa 70 Prozent seiner Arbeitszeit mit ihnen im Museum – ein absolut kompetenter Ansprechpartner also, für das Erleben hinter dem Hashtag #ClosedorOpen.
Interview: Johannes Lindenlaub, Pressereferent im Museum für Kommunikation Berlin, momentan meist im Homeoffice. Das Gespräch wurde am 3. Juni 2020 per Videokonferenz geführt.
Fotos: Benedikt Behm-Henkel
Benni, was hast Du während der Zeit der Schließung am meisten vermisst?
Du wirst es nicht glauben: Kindergruppen! Es ist total süß, wenn zum Beispiel Kita-Gruppen in ihren leuchtenden Westen hier reinkommen. Die sind total aufmerksam und interessieren sich! Diese Interessiertheit von Besucher*innen habe ich insgesamt sehr vermisst. Ich freue mich, wenn sie auf mich zukommen, ich unterhalte mich gerne mit ihnen. Weil ich schon so lange hier bin, weiß ich Dinge, die über das hinausgehen, was wir in unserer Dauerausstellung zeigen können – ob das die Architektur betrifft, die Umbauten oder unseren Ursprung als Reichspostmuseum. Als es hieß – am Freitag, den 13. (März) übrigens – wir schließen ab morgen, du brauchst erstmal nicht mehr zur Arbeit kommen, war mein erster Gedanke: Toll! Freies Wochenende, hab ich nicht so häufig. Ziemlich schnell merkst du dann aber, dass dir die Kommunikation mit den Gästen fehlt.
Was ging Dir als erstes durch den Kopf, als Du gehört hast, dass wir wieder öffnen?
Eine Frage, und zwar, wie wir das bewerkstelligen sollen. Die Situation ist komplett neu, so etwas gab es noch nie, keiner weiß genau, welche Vorschriften es gibt und wie schnell sie sich wieder ändern. Ich war sechs Wochen zu Hause, davon war ich drei Wochen krank, hatte vier Tage Homeoffice und ansonsten war ich für die Kinderbetreuung zuständig. Da hatte ich Zeit zu überlegen, was man wie machen könnte. Was stellen wir uns vor, was stellt sich die Direktion vor? Ich habe schon vor der Öffnungsankündigung mit unserer Haustechnik Kontakt aufgenommen und erste Dinge besprochen.
Wie lief die Umsetzung unserer Maßnahmen?
Unser Haustechniker hat von der Direktion eine Anfrage zur Umsetzung der Maßnahmen bekommen. Dann wurden Abstände ausgemessen, ein Plan gemacht. Ich habe mit einer Kollegin den Shop im Eingangsbereich umgebaut, um genügend Raum für unsere Gäste und einen separaten Ausgang zu gewährleisten. Es musste trotz der Maßnahmen natürlich auch Platz für Rollstuhlfahrer garantiert sein, nicht nur im Eingangsbereich, sondern überall, insbesondere auch auf dem Weg zum Fahrstuhl. Einige kleinere Dinge mussten wir nach den ersten Erfahrungen optimieren. Ich habe mir zum Beispiel gewünscht, dass im Eingangsbereich ein kontaktloser Desinfektionsmittelspender steht, der dann auch aufgestellt wurde.
Wie war Dein Gefühl am ersten Arbeitstag?
Ich war extrem aufgeregt. Kommen überhaupt Gäste? Wie wird das funktionieren? Halten sich die Besucher*innen an die Vorgaben? Und siehe da: das machen die echt, alles hat geklappt. Wir hatten allerdings auch nur wenige Gäste. Als Familienmuseum merken wir das Fehlen von Gruppen aus Schulen und Kindergärten sehr, normalerweise kommen häufig Großeltern mit ihren Enkeln, dazu jetzt das Sommerloch, das wir in jedem Jahr spüren, und bei den Touristen stehen andere Museen an erster Stelle.
Fühlst Du Dich sicher an Deinem Arbeitsplatz?
Die Besucher bleiben automatisch auf Abstand und sind vorsichtig. Wir tragen alle Masken. Wir haben überall Desinfektionsmittel. Doch, ich fühle mich sicher.
Was sagen die Besucher*innen?
Die Resonanz ist positiv. Der erste Spruch unseres ersten Besuchers nach der Wiedereröffnung war: „Ist das schön ruhig hier. Da kann ich mir ja alles ganz in Ruhe anschauen.“ Normalerweise haben wir so viele Gäste, darunter sehr viele Kindergruppen und Schulklassen, dass es schwierig sein kann, sich wirklich in die Ausstellungen zu vertiefen. Gut, ich denke, ich hätte gern meine Klassen wieder, das Laute, das Leben. Man kann es nicht allen recht machen. Wir sind nun mal keine Gemäldegalerie. In den Louvre gehe ich nicht mit einer Kindergruppe, da wird es denen langweilig. Im Moment sind wir aber der „Louvre“: Man wandelt langsam durch die Ausstellung, schaut sich alles genau an, nimmt sich Zeit, alles in Ruhe durchzulesen.
Wie sind Deine Erfahrungen mit Gruppen?
Eine Gruppe ist nichts weiter als Einzelbesucher, die sich vorher treffen. Unser Museum hat momentan eine Kapazität für 200 Personen. Wir wissen immer genau, wie viele Personen sich zu einer bestimmten Zeit im Museum aufhalten. Wenn eine Gruppe zu uns kommt und die Kapazität durch die Gruppe nicht überschritten wird, dann gelten für die Mitglieder der Gruppe die gleichen Regeln wie für Einzelbesucher. Also nehmen wir natürlich auch Gruppen an, nur dass es zur Zeit eben keine Führungen für sie gibt. Die Abstandsregeln gelten für alle, und unsere Mitarbeiter achten darauf, dass sie eingehalten werden. Vorgestern hatten wir unsere erste Gruppe seit der Wiedereröffnung hier, da wollen einzelne wiederkommen, weil sie sich nicht alles ansehen konnten.
Gab es auch Kritik?
Einzelne sind… sagen wir: verständnisvoll enttäuscht, dass wir insbesondere in der Kommunikationsgalerie im Erdgeschoss unsere interaktiven Elemente abgesperrt haben. Aber das sind die wenigsten, momentan haben wir ja vor allem Einzelbesucher mit größeren Kindern, die sich für diese spielerischen Stationen eher nicht so sehr interessieren. Und für die Touchscreens verschenken wir Touchpens. Wenn es die Vorgaben erlauben, würde ich persönlich es toll finden, wenn wir die Kommunikationsgalerie wieder öffnen. (Anm.: Mittlerweile sind einzelne Stationen wieder für Besucher*innen zugänglich). Die Besucher*innen desinfizieren sich beim Betreten des Hauses die Hände. Wir haben Kapazitäten, die Stationen regelmäßig zu desinfizieren. Selbst Kleinkinder tragen mitunter Masken, obwohl das eigentlich erst ab sechs Jahren vorgeschrieben ist. Die sind das schon gewöhnt.
Hast Du den Eindruck, der Museumsbesuch ist ein anderer während der Pandemiezeit?
Ich habe das Gefühl, dass unsere Besucher*innen aufmerksamer sind, sich auch aufgrund der gut sichtbar im Eingangsbereich platzierten Verhaltensregeln wirklich bewusst machen, wo sie hier sind, bevor sie ihren Besuch beginnen. Ein Beispiel: Neulich kamen Mama, Papa und Kleinkind, vielleicht fünf Jahre alt, ins Museum. Der Papa desinfizierte sich die Hände, das Kind stellte sich dahinter an. Als der Papa fertig war, hob er das Kind hoch, das desinfizierte sich die Hände, dann desinfizierte sich die Mutter die Hände. Anschließend setzten sich alle die Masken auf und marschieren in einer Reihe, wie so eine Entenfamilie, zu mir an die Kasse. Der Papa sagte noch zum Kind: „So, wir sind jetzt in einem Museum, hier muss man etwas leiser sein.“ Und dann hab ich sie nicht mehr gehört. Das ist früher eher anders abgelaufen: Da wär das Kind reingerannt, der Vater total genervt hinterher, und die Mutter hätte bezahlt.
Lieber Benni, vielen Dank für Deine Zeit und das Gespräch!