Strittmatter zu Besuch bei Barlach …

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich wieder verstärkt mit dem Werk von Ernst Barlach. Sein Werk hat mich schon immer begeistert. Als Junge sah ich die ersten Plastiken von ihm. Seitdem bin ich – ganz umakademisch – begeistert von seiner Formensprache und beschäftige mich mit seinem Werk.

Erwin Strittmatter schildert in seinem (Tage)Buch Wahre Geschichten aller Ard(T) einen Besuch in Ernst Barlachs Atelier. Anlass dazu war ein Familienausflug Ende der 60’ger Jahre. Was anekdotenhaft beginnt, endet in Strittmatters ernster und großer Bewunderung von Barlachs Kunst. Schon nach dem ZweitenWeltkrieg, als Strittmatter noch als Lokalredakteur der Märkischen Volksstimme in Senftenberg beschäftigt war, schrieb er begeistert über die Skulptur des „Bettlers“ von Barlach. Er hatte einen Zweitguß in den Trümmern einer Gießerei bei Senftenberg gefunden.

Aber lassen wir Strittmatter doch als Zeitzeugen zu Worte kommen:

“ 3.Juli 1968

Barlach

Das Barlach-Haus (vor Güstrow links ab) zwischen Kiefern., dahinter versteckt ein See-Ufer, Stille.
Ein Lilliputaner, achtzigjährig, Barlachs früherer Freund, ein krötiges Männchen, spitz und bissig in seinen Reden.
Die Kinder sollen nicht in die Ausstellungsräume. Ich bleibe bei den Kindern, und wir setzten uns auf

ein Hügelchen in den Waldschatten, dort gibt es weiches Gras. Vor uns liegt die Landstraße und hinter ihr die Pforte, durch die Barlach damals ging oder schlich.
Mattes sagt beleidigt, er hätte Picasso (in Dresden) im Original gesehen. Barlach soll ich nicht im Original sehen, was?
Wie machen einen Spottvers:


Wir haben es schön
Wir brauche nicht stehen
Wir können hier sitzen
Und brauchen nicht schwitzen.

Das Männchen scheint von Reue gepackt zu sein. Plötzlich heißt es, Kinder dürfen doch hinein, auch ihre Begleiter vielleicht.
Ich werde wohl der erste Redakteur gewesen sein, der nach neunzehnhundertfünfundvierzig über Barlach in der Zeitung schrieb.
Damals fanden wir einen Zweitguß seines „Bettlers“ in den Trümmern einer Gießerei in Senftenberg.


Großer Eindruck: die hockende Frau, nachdenkend, mit angezogenen, umarmten Knien. Man hat Fotos von der Skulptur gesehen, aber hier nun das Original. Die Haltung des Denkers von Rodin erscheint dagegen wie eine Theaterpose. Das Verhältnis ist ungefähr das wie von Brechts Theaterspiel zum Dresdner Hoftheaterstil.
Bis Barlach brauchten die Skulpteure den ganzen menschlichen Körper (und möglichst nackt), um auszudrücken, was sie zu sagen hatten. Barlach kommt mit nur einem Drittel des menschlichen Körpers zu stärkeren Aussagen als die Alten. Der größte Teil seiner Figuren trägt den Körper verbergende, hängende Gewänder. Was für eine Dramatik (trotzdem) in seinen Figuren! Und sie wird erzeugt durch Bewegung und Gesichtslandschaften.“

Heute ist das Atelier von Barlach ein Museum. Ein Besuch lohnt sich immer.

Außerdem ist noch sein Geburtshaus in Wedel zu besichtigen sowie das Barlach Museums Ratzeburg und das Ernst Barlach Haus im Jenischpark Hamburg.

Herzlichen Dank dem Aufbau Verlag (Frau Ohrenforst) für das grosszügige Gestatten der Übernahme des Textes und der Verwendung des Buchcovers.




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