Museen in Zeiten der Krise – was tun? Im Gespräch mit Manuel Halbauer vom Verkehrsmuseum Dresden

Manuel Halbauer ist Bereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit/Marketing am Verkehrsmuseum Dresden und betreut die hauseigenen Social-Media-Kanäle. Er hat Neuere/Neueste Geschichte, Islamwissenschaften und Klassische Archäologie in Freiburg i. Br. und Aix-en-Provence studiert und arbeitet seit 2014 am Verkehrsmuseum.

Steckbrief Verkehrsmuseum Dresden: Gegründet 1952, Sammlungsschwerpunkt: ostdeutsche Verkehrsgeschichte; permanente Ausstellungen zu den Verkehrszweigen Eisenbahn, Straßenverkehr, Luftfahrt, Schifffahrt, halbjährlich wechselnde Sonderausstellungen, 5.000m² Ausstellungsfläche, 25 Mitarbeiter*innen, rund 200.000 Besucher jährlich.

JB: Im Moment sind es schwierige Zeiten für Museen und Kultureinrichtungen. Was heißt das für das Verkehrsmuseum Dresden konkret?

MH: Seit dem 14. März ist das Verkehrsmuseum geschlossen und soll – Stand heute – am 21. April wieder öffnen. Alle Mitarbeiter*innen, die nicht zwingend vor Ort benötigt werden, arbeiten von Zuhause. Das Verkehrsmuseum ist eine gGmbH in Trägerschaft der Stadt Dresden, d.h. wir sind in hohem Maße auf den Verkauf von Eintrittskarten angewiesen. Die Schließung hat also deutliche Einnahmeverluste zur Folge. Wir müssen deshalb auf allen Ebenen sparen, was zur Konsequenz hat, dass wir viele Projekte, wie z.B. eine große Sonderausstellung, die wir für Herbst angesetzt hatten, in diesem Jahr nicht realisieren können.
Ziel der nächsten Wochen, womöglich Monate, ist es also, bei den Besucher*innen und Freund*innen des Museums präsent zu bleiben, ohne dass diese in physischen Kontakt mit dem Museum treten können. Bevorzugtes Mittel unserer Wahl ist das Social Web. Glücklicherweise sind wir schon seit mehreren Jahren sehr aktiv in Sachen Social Media, sodass wir nicht bei null anfangen müssen, um uns eine Fanbase aufzubauen.

JB: Berühren verboten heißt es ja normalerweise im Museum. Berühren erlaubt ist dagegen Ihre Devise. Sie haben kürzlich einen Tastrundgang eingeführt. Wie ist dieser gestaltet? Und was hat Sie bewogen, einen solchen zu entwickeln?


MH: Der Tastrundgang ist eingebunden in eine umfassende Strategie, das Museum auf verschiedenen Ebenen zu öffnen. So stand inhaltlich über viele Jahrzehnte die Technik im Vordergrund, nun erzählen wir eine Kultur- geschichte der Mobilität, bei der die Menschen im Vordergrund stehen. Mit vielen interaktiven Elementen und Zugängen, z. B. einem Experimentier- raum zum Thema „Luft“ oder einem Bobbycar-Parcours zum Kennen- lernen der Verkehrsregeln, sollen unsere Besucher*innen Dinge im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“. Damit ist das Museum nicht nur für Technikinteressierte spannend, sondern auch für Familien mit Kindern.

Mit dem Tastrundgang ergänzen wir unsere schon bestehenden Angebote für Menschen mit Behinderungen: Schilder mit vergrößerter Schwarz- und Brailleschrift markieren Exponate, die Menschen mit Seheinschränkungen und blinde Menschen mit Handschuhen betasten können. Mit unseren vielen robusten Exponaten unterschiedlicher Größe und Form gibt es eine schöne Auswahl, die vom edlen Röhr-Oldtimer bis zum Steuerrad eines Dampfschiffs reicht.

JB: Welche digitalenAngebote kann man bei Ihnen nutzen? Welche Social-Media-Kanäle nutzen Sie schwerpunktmäßig. Hat sich das durch die Krise verändert?

MH: Per Audioguide-App erhalten die deutsch-, englisch-, russisch- und tschechischsprachigen Besucher*innen Informationen zu den Highlight-Exponaten in unseren permanenten Ausstellungen. Die App gibt es außerdem in Gebärdensprache. Eine AR-Anwendung gibt Einblick in das Innenleben und die Funktionsweise einer Dampflokomotive, an Medienstationen sind Automobile aus unserer Ausstellung in 360°-Ansichten zu betrachten, in unserer Schifffahrtsausstellung kann man sich an Terminals digital ein Boot bauen und es gegen die Boote anderer Besucher*innen zur Wettfahrt antreten lassen u.v.m. Wir setzen die Technik aber nicht um der Technik willen ein, sondern nur dort, wo sie den Besucher*innen einen echten Mehrwert bietet.


In Sachen Social Media sind wir auf Facebook, Twitter und Instagram aktiv, die Kommunikation dort behalten wir während der Corona-Krise natürlich bei. Verstärkt arbeiten wir jetzt mit Videos, soweit es unter den aktuellen Umständen eben personell und technisch möglich ist. Damit erhält unser YouTube-Kanal eine größere Bedeutung, den wir – ressourcenbedingt – bisher selten bespielt haben. Dort stellen Mitarbeiter*innnen des Museums ihr Lieblingsobjekt vor, sie gehen in der Rubrik „nice to know“ auf Besonderheiten einiger Exponate ein und wir drehen Stop Motion Videos mit der „Museumsmaus“, unserer Leitfigur für Kinder. Mit solchen Clips stellen sich gleichzeitig Mitglieder unseres Teams vor. Dies halte ich in der aktuellen Situation für besonders wichtig, um zu zeigen, dass wir weiterhin da, aktiv und ansprechbar sind.

JB: Welche weiteren Möglichkeit nutzten Sie, um Ihr Museum auch trotz Schließung zu kommunizieren?

MH: Wir machen uns natürlich Gedanken, wie sich Projekte, die bisher analog stattfinden sollten, auch digital umsetzen lassen. Dabei geht es um Aktionstage wie den Internationalen Museumstag, Ferienprogramme oder auch Ausstellungen. Wir sind dazu z.B. in Kontakt mit Partnern, um zu schauen, wo sich Kräfte bündeln lassen. Wir haben den Content, andere vielleicht die Technik oder eine noch größere Reichweite.  
Und trotz Corona herrscht bei uns nicht der totale Stillstand. Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir am 23. Oktober unsere neue Dauerausstellung Schienenverkehr eröffnen. Dazu kommunizieren wir weiter auch auf den klassischen Wegen per Pressemitteilungen, Interviews etc.

JB: Was wünschen Sie sich als Lehre, wenn die Krise einmal überstanden ist. Was ist für dich am wichtigsten für das Museum der Zukunft?

MH: Wir sind ja noch inmitten der Krise. Und erst im Nachgang, wenn der gesamte wirtschaftliche Schaden sichtbar ist, wird sich zeigen, was der Gesellschaft Kultur im Allgemeinen und Museen im Besonderen wirklich wert sind. Werden dann einige Museen nicht wieder öffnen können, weil sie diese Durststrecke nicht überlebt haben oder werden sie so unterstützt, dass sie nachhaltig arbeiten können?
Was vor der Krise galt, gilt nun erst recht: Wer im digitalen Raum nicht präsent ist, existiert quasi nicht! Die derzeitige Situation zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig es folglich ist, als Museum digital gut aufgestellt zu sein. Dafür sollten in Zukunft die Museen auch entsprechend ausgestattet sein – finanziell, personell und auch technisch. Da fehlt es oftmals am Nötigsten, worin sich auch die bisher fehlende Wertschätzung der Arbeit in diesem Bereich ausdrückt.
„Wenn in einer derartigen Krise eine Chance liegt, dann die, dass man endlich sieht, was fehlt, wenn in einer Stadt keine Kunst (ich ergänze: keine Kultur) mehr zu erleben ist.“ (Zitat aus „Wer braucht denn jetzt die Künste?“, faz.net vom 29.3.2020)

JB: Lieber Herr Halbauer, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Zu den Fotos:
Abb. 1: Verkehrsmuseum Dresden am Neumarkt; Foto Igor Semechin

Abb. 2: Verkehrsmuseum Dresden Tastausstellung für Blinde und Sehbehinderte; Schüler der Leipziger Förderschule für Blinde und Sehbehinderte Wladimir-Filatow ertasten sich einen Rundgang durch das Dresdner verkehrsmuseum; Foto Anja Schneider

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