„Die Kunst des Müßiggangs“ oder Wir müssen wieder Muße lernen …

„Wenn ich nicht im Grunde ein sehr arbeitsamer Mensch wäre, wie wäre ich je auf die Idee gekommen, Loblieder und Theorien des Müßiggangs auszudenken. Die geborenen, die genialen Müßiggänger tun dergleichen niemals.“ Hermann Hesse, 1928

Viele haben Hesse in ihr Jungendzeit gelesen und distanzieren sich jetzt von ihm. Sie nennen ihn einen hoffnungslos überholten Romantiker und einen aus der Mode gekommenen Idealisten – das mag jede/r für sich entscheiden. Allein wichtig ist für mich in der jetzigen Situation, dass Hesse uns wieder einen Anstoß geben kann, über die allzu verständlich gewordene Hektik, Betriebsamkeit und Technikverlässlichkeit unseres Alltags nachzudenken. Er lehnte schon damals rücksichtsloses Konsumverhalten und materiellen Eigennutz auf das Entschiedenste ab; Schlagworte, die jetzt eine noch größere Dimension angenommen haben als Hesse das wohl je ahnen konnte.

In seiner kurzen Geschichte „Die Kunst des Müßiggangs“ (1904) begegnet Hesse der hektischen allgegenwärtigen Geschäftigkeit mit „Eigensinn“ und „Muße“. „Eigensinn“ ist bei Hesse wörtlich zu verstehen, der „Sinn des Eigenen“, der Gehorsam gegen das Gesetz in sich selbst. Die „Kunst des Müßiggangs“ soll dienen als Gegenstück zu den lärmenden Reizüberflutungen auf dem Weg zu einer neuen Entfaltung der Persönlichkeit. Zum Erlernen von Muße!
Gerade dieses Streben nach der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ist – wie man weiß – das immer gleichbleibende Thema hinter den vordergründig unterschiedlichen Büchern Hesses. Bei ihm ist die Identitätskrise eine notwendige Bedingung zur Veränderung, eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung und folglich zur seelischen Reifung des Individuums. Ein Prozess, der vom Dichter selbst als das „Zu-sich-selbst-finden“ des einzelnen Menschen bezeichnet wird.
Nutzen wir die jetzige gesamtgesellschaftliche Krise als Chance zur sozialen Weiterentwicklung und Reifung!

Hier könnt ihr die kurze Geschichte anhören:

Auf das wir Muße lernen …

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