Quo vadis Sammlung? Bedeutung für das Marketing und die PR des Städel Museums

Die Sammlung bildet den Kern des Museums. Unter dem Trend einer ständig wachsenden Zahl von Wechselausstellungen ist die Sammlung und das darin ruhende Potential zunehmend aus dem Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Dabei ist sie Ausgangspunkt für die Identität und die Profilbildung eines Museums. Aus ihr heraus gilt es, das strategische Management zu entwickeln.

Im einem Seminar der FU-Berlin befasse ich mich gemeinsam mit Kollegen aus Museen und Wissenschaft mit dem Thema „Das Museum im Wandel: Strategisches Management“

Heute möchte ich Axel Braun, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Onlinekommunikation des Städel, fragen, welche Rolle die Sammlung für das Museum in Frankfurt spielt.

 JB: Steigen wir doch ganz grundsätzlich ein: Welche Bedeutung hat die Sammlung für die PR und das strategische Marketing des Städels?

Blick in das Depot des Städel Museums; Foto Katrin Binner

Blick in das Depot des Städel Museums, Foto Katrin Binner

AB: Sie haben es im kurzen Vorspann schon angedeutet: Auch für uns bildet die Sammlung die unverkennbare DNA und Identität des Hauses. Sie ist der zentrale Angel- und Ausgangspunkt all unserer Überlegungen – sei es zu einem neuen Forschungs- oder Ausstellungsprojekt, einem digitalen Vermittlungsangebot oder einem Facebook-Post. All unsere Kommunikationsmaßnahmen und –strategien beginnen also bei den Inhalten unserer Sammlung und damit bei der Kunst.

JB: Auf der Website wird die Sammlung prominent beworben. Seit wann gibt es denn die Digitale Sammlung, d.h. die Sammlung online? Und was hat das Städel bewogen, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

AB: Die Betaversion unserer Digitalen Sammlung haben wir im März 2015 – nach über zweijähriger Entwicklungszeit und übrigens genau zum 200. Jubiläum der Städelschen Stiftung – gelauncht. Seitdem wird die Plattform kontinuierlich befüllt und weiterentwickelt. Der Beweggrund war eine wenn man so will etwas ernüchternde Statistik: Trotz einer Ausstellungsfläche von insgesamt rund 7.500 Quadratmetern können wir im Städel nur 1 Prozent unserer Sammlung dauerhaft präsentieren. Und so geht es nahezu allen sammelnden Museen. Solche physischen Beschränkungen haben sie im digitalen Raum natürlich nicht. Schon kurz nach der Fertigstellung unserer baulichen Erweiterung im Jahr 2012 war uns darum klar: Die nächste Erweiterung des Städels kann und muss eine „digitale Erweiterung“ sein.

Unsere Digitale Sammlung eröffnet einen völlig neuartigen Zugang zu den Beständen des Hauses: dank einer semantischen Suche, die sowohl kunstwissenschaftliche Interessen bedient als auch individuelle Suchpfade durch 700 Jahre Kunstgeschichte nach intuitiven und assoziativen Kriterien eröffnet. Für dieses „digitale Schlendern“ bietet die kostenlos zugängliche, cloudbasierte Plattform – neben großformatigen Abbildungen, multimedialen Inhalten wie Audiosequenzen und Filmproduktionen sowie unterschiedlichsten Informationen und Texten – eine weitreichende Verknüpfung der Werke und kontextualisiert diese auf sinnfällige, oft aber auch überraschende Weise. Der User gelangt im besten Falls vom reinen Suchen zum inspirierenden Finden und Vergleichen. Er bekommt neue Verbindungen zwischen verschiedenen Werken über Epochen hinweg aufgezeigt.

In Kürze werden wir übrigens mit der nächsten Stufe der Digitalen Sammlung online gehen. Und unser Fernziel ist die Digitalisierung unserer vollständigen Bestände.

JB: Ihre digitalisierten Bestände nutzen Sie auch für Ihre Bildungsarbeit. Wie kam es denn zu der Idee eines Online-Kurses Kunstgeschichte?

AB: Die Idee kam tatsächlich von unseren (analogen) Besuchern, die schon öfters mit dem Wunsch nach einem Basiskurs, der Grundlagen der Kunstgeschichte vermittelt, an uns herangetreten sind. Uns war dann relativ schnell klar, dass solch ein Angebot nicht nur für Besucher einer Vorlesung vor Ort in Frankfurt, sondern für potentiell alle Kunstinteressierten relevant ist. Und nachdem wir festgestellt haben, dass es bislang noch kein vergleichbares, kostenfreies Bildungsangebot gibt und wir mit dem Städelschen Museumsverein einen Förderer gefunden haben, haben wir uns an die Arbeit gemacht. Und es gab viel zu tun!

Den Onlinekurs haben wir schließlich in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt. Seit kurzem ist er auch auf Englisch erhältlich. Das digitale Vermittlungsangebot führt auf informative und unterhaltsame Art und Weise von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Basierend auf Werken der eigenen Sammlung erwartet die Lernenden ein abwechslungsreiches Programm mit rund 40 Stunden Arbeitsmaterialien zur Kunstgeschichte. Neben einführenden und erklärenden Filmen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten finden Kursteilnehmer spielerische Lernformate, vertiefende Texte sowie einen umfangreichen Zeitstrahl zu historischen Ereignissen, Künstlern und Schlüsselwerken der modernen Kunst von 1750 bis heute.

In seiner jetzigen Form richtete sich der Kurs an alle, die auf abwechslungsreiche, zeitlich flexible Weise kunsthistorische und bildwissenschaftliche Kenntnisse erlangen wollen. Gleichermaßen Bildungs- und Weiterbildungsangebot ist der Onlinekurs für Teilnehmer ohne kunsthistorisches Fachwissen ebenso attraktiv wie für jene, die bereits Vorkenntnisse besitzen. Für uns ist er eine ideale und sehr zeitgemäße Art und Weise unseren Bildungsauftrag weit über die physischen Grenzen des Museums hinaus wahrzunehmen und unterschiedliche Zielgruppen zeitgemäß und innovativ für die Beschäftigung mit Kunst und Kultur zu begeistern.

Selfies im Museum

Selfies im Museum, Foto Karin Binner

JB: Welche Rolle spielt die Sammlung in der Social-Media-Strategie des Städel Museums?

AB: Auch und gerade hier spielt die Sammlung eine zentrale Rolle. Mit ständig wechselnden Initiativen und Formaten versuchen wir die Kunst auf immer wieder neue Art und Weise zum Sprechen zu bringen: Von einzelnen Kunst/Stücken auf unserem YouTube Kanal, über wissenswerte und unterhaltsame Fakten auf unserem Facebook Kanal bis hin zu spannenden Foto-Gegenüberstellungen auf Instagram. Für unsere Social-Media-Strategie ist die Sammlung eine schier unerschöpfliche Quelle der Inspiration und Vermittlung – und Posts mit Bildern aus der Sammlung sind und bleiben bei unseren Fans und Followern die Erfolgreichsten und Beliebtesten.

JB: Wie halten Sie es denn mit den Abbildungsrechten von Werken Ihrer Sammlung?

AB: Als Museum mit einer Sammlung aus 700 Jahren Kunstgeschichte sind die meisten unserer Werke glücklicherweise gemeinfrei. Überall dort, wo Urheberrechte zu beachten sind, versuchen wir diese natürlich im Einklang mit den Rechteinhabern zu klären. Oftmals können wir uns auch auf die sogenannten Schrankenregelungen des Urheberrechts berufen, darunter beispielsweise das Zitatrecht oder die Katalogbildfreiheit. Unabhängig davon ist die aktuelle Rechtslage, gerade in der digitalen Kommunikation und im Bereich der zeitgenössischen Kunst, oftmals leider eine Hürde für die Wahrnehmung unseres Bildungsauftrages im digitalen Raum.

JB: Unter dem Stichwort „Die Historischen Räume interaktiv erfahren“ kann man in einer Zeitreise erleben wie das Städel im 19. Jahrhundert aussah – auf Ihrer Website oder gar mit einer Virtual-Reality-Brille vor Ort. Was hat Sie dazu bewogen?

Virtuelle Zeitreise ind die Städelsche Sammlung

Virtuelle Zeitreise in die Städelsche Sammlung

AB: Schon seit vielen Jahren forschen Kolleginnen und Kollegen zu den historischen Präsentationsformen der Städelschen Sammlung an ihren Standorten in den Jahren 1816, 1833 und 1878. Die Ergebnisse dieser Forschungs- und Rekonstruktionsarbeit wollten wir online sichtbar machen. Neben den Hängeplänen aller Standorte des Museums sind nun zu jedem der sich damals im Bestand befindlichen Gemälde ausführliche Provenienzangaben, Informationen über die Verkaufs- bzw. Verlustgeschichte sowie relevante Inventareinträge und Texte aus ausgewählten Gemäldekatalogen des 19. Jahrhunderts verfügbar.

Das Auftauchen u.a. von aquarellierten Innenansichten der ehemaligen Standorte hat uns dann die Möglichkeit eröffnet, detailgenaue 3D-Rekonstruktionen der Präsentation der Städelschen Sammlung an ihren bisherigen drei Standorten anzufertigen und die längst vergangenen Galerieräume teilweise sogar mittels VR-Technologie virtuell zu durchschreiten. Der detailgetreue und verblüffend realistische Blick in die damaligen Museumsräume zeigt, wie zeitgebunden unsere Sehgewohnheiten von Kunstwerken sind.

Insgesamt macht das Projekt deutlich, wie neueste technologische Entwicklungen für die Generierung und Aufbereitung kunsthistorischer Forschungsergebnisse zur Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte auf ansprechende und gewinnbringende Weise nutzbar gemacht werden können.

JB: Was sind die Pläne des Städel Museums? Welche Rolle wird die Sammlung in der Zukunft für die strategische Ausrichtung spielen?

AB: Die zentrale Rolle der Sammlung wird sich sicher nicht verändern. Und natürlich werden wir auch in der Zukunft ein sammelndes Museum bleiben und weiter versuchen, die Sammlung auszubauen und Lücken zu schließen. Museen müssen sich kontinuierlich entwickeln, ihre Sammlungen mit der Gegenwart Schritt halten.

Darüber hinaus haben wir hier schon viele Pläne, wie wir die Kernaufgaben des Museums – Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – mit sehr zeitgemäßen Mitteln einlösen und dafür sorgen, möglichst viele verschiedene Menschen und Zielgruppen für Kunst und Kultur begeistern. Langweilig wird uns also sicher nicht werden.

JB: Lieber Herr Braun, ich danke Ihnen für das Gespräch!

 

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