Wie stellt man Literatur aus (2)

Das Hans-Fallada-Museum in Carwitz

In Carwitz, einem kleinen Ort in der Feldberger Seenlandschaft gelegen, fand Hans Fallada sein Haus als Rückzugsort von der Hektik Berlins in der „Welteneinsamkeit“ wie er schrieb. Von 1933 bis 1944 lebte er hier und schuf viele Werke. Seit 1995 betreibt die Hans-Fallada-Gesellschaft im Haus ein Museum. Außerdem sind noch der große Garten mit Bienen- und Bootshaus zu besichtigen. In der ehemaligen Scheune werden heute Sonderausstellungen gezeigt.

Dr. Stefan Knüppel ist Germanist und leitet seit 2005 das Hans-Fallada-Museum Carwitz.

JB: Über 10 Jahre wohnte Hans Fallada in Carwitz. Wie kam es dazu, dass er aus Berlin aufs Land zog. Und wie hat er diesen abgeschieden-idyllischen Ort gefunden?

Das Fallada-Haus in Carwitz, © Hans-Fallada-Gesellschaft e.V.

SK: Nach dem Welterfolg des Romans „Kleiner Mann – was nun?“ verdiente Hans Fallada erstmals und schlagartig sehr viel Geld. Da er mit diesem Geld nicht umzugehen wusste, gab er es auf die unsinnigste Weise aus; hielt halbe Lokale frei. Seine Freunde und auch die Familie (und auch er) sahen ein, dass es so nicht weitergehen könne und er suchte als gelernter Landwirt nach einer kleinen mecklenburgischen Landwirtschaft, jenseits der Verlockungen der großen Städte und zudem Ausgleich zum Schreiben bietend. Mehrere Höfe sah er sich an und der Carwitzer war so, wie er ihn ich vorstellte: Nicht zu groß und nicht zu klein, direkt am Carwitzer See und mit viel Wald im Umfeld.  

JB: Welche Werke schuf Fallada während seiner Carwitzer Zeit?

SK: Da Hans Fallada äußerst produktiv war, möchte ich hier nur die bedeutendsten Werke der Carwitzer Zeit erwähnen. Bei seinem Einzug brachte er das begonnene Manuskript „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ mit, das er in Carwitz vollendete. Es folgten u.a. „Wir hatten mal ein Kind“, „Wolf unter Wölfen“, „Der eiserne Gustav“, „Geschichten aus der Murkelei“, „Ein Mann will nach oben“, „Damals bei uns daheim“ und „Heute bei uns zu Haus“. 

JB: Wie stellt man eine so prominente Persönlichkeit wie Hans Fallada aus? Besteht nicht die Gefahr, dass die Literatur und sein Werk hinter dem Haus und dem idyllischen Ort in den Hintergrund tritt?

SK: Wir haben das große Glück, sehr viele Originale aus Hans Falladas Besitz in seinem ehemaligen Wohnhaus zeigen zu können: Das Wohn- und Arbeitszimmer sowie das Esszimmer zeigen wir nahezu im Originalzustand mit größtenteils originalem Mobiliar. Aber auch die Veranda, die Küche und das weitläufige Anwesen mit Bienenhaus und Bootshaus vermitteln einen Eindruck von Falladas einstiger Lebenswirklichkeit.

Da liegt es auf der Hand, dass der Biografie Falladas in unserem Museum ein großer Raum zur Verfügung steht. Aber natürlich spielt auch Falladas Werk eine wichtige Rolle: Wir zeigen Manuskripte, sein Gesamtwerk in Originalausgaben und kleine Sonderausstellungen zu Einzelwerken. Aber es gibt ja ohnehin eine große Diskussion, inwieweit und auf welche Weise Literatur überhaupt ausstellbar ist?! Wir hier im Fallada-Museum arbeiten zudem mit persönlichen Führungen, Audioführungen für Kinder und Erwachsene, Museumsführern und Kinderrätselheften, Hörstationen und einem Filmzimmer. Man kann also Fallada und sein Werk auf unterschiedliche Weise entdecken.

JB: Was ist das Ziel des Museums?

SK: Hier möchte ich aus der Satzung der Hans-Fallada-Gesellschaft als Trägerin des Museums zitieren, in der es u.a. heißt, dass die Ziele der Gesellschaft und somit auch des Museums darin bestehen, „die kulturelle Lebensleistung Hans Falladas lebendig zu erhalten, sich mit Werk und Schaffen auseinanderzusetzen, es zu erschließen, zu pflegen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Natürlich bietet sich ein modernes und lebendiges Literaturmuseum dabei hervorragend an und unser Ziel ist es darüber hinaus, unseren Gästen ein interessantes und abwechslungsreiches Erlebnis zu verschaffen.

Blick in Falladas Arbeitszimmer, © Hans-Fallada-Gesellschaft e.V.

JB: Verfügt das Museum über eine große Sammlung? Woraus besteht die Sammlung und stammen die Objekte aus dem Nachlass von Fallada?

SK:
Die Sammlung umfasst u.a. originale und originalgetreue Möbelstücke, die technische Ausstattung des Hauses (Öfen, Küchengeräte etc.), landwirtschaftliche Geräte Hans Falladas sowie Gebrauchsgegenstände aus Hans Falladas Besitz in Originalen und Kopien bzw. Nachkäufen, außerdem Bücher aus Hans Falladas Besitz, Bücher von Hans Fallada in einer repräsentativen Sammlung von Ausgaben in deutscher Sprache und von Übersetzungen, Sekundärliteratur, Schallplatten aus Hans Falladas Besitz, kunstgewerbliche Gegenstände und Kunstwerke aus dem Familienbesitz oder von Familienmitgliedern gefertigt (Bilder, Plastiken etc.), Kunstwerke, die sich mit Leben und Schaffen Hans Falladas auseinandersetzen, insbesondere auch Originale von publizierten Fallada-Illustrationen, Druckerzeugnisse in Zeitschriftenform (Primär- und Sekundärtexte von und zu Hans Fallada), Sonderausstellungen, Dokumente und Sachzeugen zur Geschichte der Fallada-Erbepflege, Fallada-Forschung oder zur Dokumentation der Geschichte der Hans-Fallada-Gesellschaft und des Hans-Fallada-Museums. Zudem befindet sich auf dem Museumsgelände das Hans-Fallada-Archiv, das vom Literaturzentrum Neubrandenburg betrieben wird und sämtliche schriftlichen Hinterlassenschaften Falladas betreut.


JB: Wonach suchen Sie die Themen der Sonderausstellungen aus?

SK: Natürlich bemühen wir uns, möglichst viele Sonderausstellungen zu Fallada-Themen zu zeigen, aber auch andere Schriftstellerinnen und Schriftsteller spielen bei der Auswahl der Themen eine Rolle, wenn sie einen Bezug zu Hans Fallada, zur Fallada-Zeit oder zu unserer Region haben.

JB: Welche Rolle spielen Veranstaltungen für Ihr Museum? Welche bieten Sie an?

SK: Eine große Rolle. Wir führen von Mai bis September unsere Veranstaltungsreihe „freitags bei Fallada“ durch, bei der an jedem Freitag um 20 Uhr Lesungen, Konzerte, Theateraufführungen und ähnliches stattfinden. Immer um Hans Falladas Geburtstag, also immer um den 21. Juli, finden zudem an drei Tagen die „Hans-Fallada-Tage“ statt, 2020 zum inzwischen 30. Mal.

JB: Das Fallada-Haus ist nicht in den Social Media aktiv? Warum verzichten Sie darauf? Sehen darin keine Chancen?

SK: Doch, wir sind aktiv: Seit mehreren Jahren auf Facebook, wo wir vor allem über Neuigkeiten und natürlich unsere Veranstaltungen informieren.

Das Fallada-Haus von der Hofseite © Jörn Brunotte

JB: Mit welchen anderen (Literatur-)Museen kooperieren Sie?

SK: Dadurch, dass ich als Museumsleiter in allen wichtigen Dachverbänden aktiv bin, ebenso wie die Fallada-Gesellschaft, pflegen wir sehr gute Kontakte zu vielen anderen (Literatur-)Museen, vor allem aber wohl zum Brigitte-Reimann-Literaturhaus Neubrandenburg, zum Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen und zum Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum Rheinsberg.

JB: Was sind die Pläne des Fallada-Hauses für die Zukunft?

SK: Unser Ziel besteht in einer ständigen Weiterentwicklung des Museums, um eben auch für Gäste, die uns bereits kennen, interessant zu bleiben. Aber natürlich muss es ebenso unser Ziel sein, das Museum und das, was es vermittelt, auch in Zeiten der immer weniger freigiebigen öffentlichen Hand in seinem Bestand zu sichern. Wir möchten ein Haus sein und bleiben, in das man gerne geht, in dem man etwas lernen kann und zudem gut unterhalten wird.

JB: Lieber Herr Dr. Knüppel, ich danke Ihnen für das Gespräch!

(Fotos, wenn nicht anders bezeichnet vom Autor)

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