Bibliotheken in Zeiten der Krise – was tun? Im Gespräch mit Anne Schmidt von der Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda

Anne Schmidt ist die Leiterin der Stadt-& Kreisbibliothek Sömmerda. Sie ist 34 Jahre alt und hat ein sechsköpfiges Team an ihrer Seite.

JB: Im Moment sind es schwierige Zeiten für Bibliotheken, Museen und Kultureinrichtungen. Wie stellt sich die Situation für die Bibliothek dar?

AS: Mitte März erhielten wir von der Stadtverwaltung Sömmerda die Information, dass die Türen unserer Bibliothek auf Grund der Corona-Krise nur noch einen Tag für unsere Besucher*innen geöffnet bleiben dürfen und dann bis auf weiteres geschlossen werden.
Auf allen Kanälen informierten wir unsere Leser*innen und viele nutzten den vorerst letzten Öffnungstag und deckten sich mit zahlreichen Medien ein. Stammleser*innen standen vor unserer Ausleihtheke und wussten nicht so recht, wie sie sich verabschieden sollten, weil das Datum unserer Wiedereröffnung noch ungewiss ist. Viele Besucher*innen wünschten uns alles Gute und beste Gesundheit.
Die vierfache Medienmenge wurde an diesem Tag ausgeliehen und dann überkam uns dieses merkwürdige Gefühl. Wir sind vor Ort aber unsere Türen bleiben verschlossen. Unser Haus ist so still.
Und einen Satz bekommen wir einfach nicht aus unseren Köpfen: „Lebensmittelgeschäfte dürfen öffnen, damit wir überleben können aber wenn die Bibliothek schließt, dann werde ich verhungern. Meine geistige Nahrung ist ein Grundbedürfnis und fehlt für eine ungewisse Zeit.“

JB: Wie sind Sie auf die Idee zu einem Bücherbringdienst gekommen? Und wie funktioniert der konkret? Gibt es Beschränkungen bei Art und Anzahl der Medien?

AS: Wir brauchten eine Lösung, um diese außergewöhnliche Zeit zu überbrücken und für unsere Benutzer*innen auch neben der Online-Bibliothek da zu sein. Am ersten Schließtag machten wir uns Gedanken über die nächsten Wochen und dann kam meiner Kollegin Beatrice Fischer die tolle Idee, einen kontaktlosen Lieferservice für unsere Nutzer im Stadtgebiet Sömmerda anzubieten.
Das schöne an unserer „Kleinstadt“ ist, dass man sich kennt und somit bin ich mit dem Einverständnis der Stadtverwaltung zu unserem örtlichen Radladen „Bikerdom“ gegangen. Der Besitzer war sofort bereit, die Bibliothek mit dieser Aktion zu unterstützen und hat uns für die Zeit der Schließung ein Transportrad zur Verfügung gestellt. Nach einem Fototermin mit der Presse, haben wir den Lieferservice auf unserer Homepage und allen Sozialen Kanälen (Facebook & Instagram) angeboten. Schon am nächsten Tag erhielten wir die ersten Bestellungen. Diese können per Mail oder Anruf abgeben werden.
Wir beliefern ausschließlich im Stadtgebiet Sömmerda und fahren spätestens am nächsten Werktag die verfügbaren Medien aus. Diese werden dann über die Briefkästen zugestellt. Jegliche Art und Anzahl von Medien können bestellt werden. Die Rückgabe erfolgt ausschließlich über unseren Rückgabekasten an der Bibliothek.

JB: Wird das Angebot nachgefragt? Bis in welchen Umkreis liefern Sie?

AS: Die Nachfrage war vom ersten Tag an da. Mit der Zeit spricht sich unser Angebot herum und somit steigen auch die Bestellungen. Wir liefern nur innerhalb Sömmerdas. Gern würden auch Bibliotheksnutzer aus den umliegenden Ortschaften unseren Service nutzen, aber diese Strecken sind zeitlich einfach nicht zu bewältigen und vermutlich auch rein körperlich nicht.

JB: Welche weiteren Möglichkeit nutzen Sie, um die Bibliothek auch trotz Schließung zu kommunizieren? Sind Sie in den Social-Media aktiv?

AS: Jetzt haben wir bereits 2 Wochen geschlossen und die Wiedereröffnung steht in den Sternen. Auch vor der Schließung waren wir auf Facebook und Instagram sehr aktiv und halten unsere Nutzer immer über unsere Arbeit auf dem Laufenden. So wollen wir wenigstens auf diesem Weg Kontakt zu unseren Lesern halten und sie wissen lassen, dass wir da sind und trotz Schließung die Zeit sinnvoll nutzen.

JB: Welche Aktion in den Social Media war besonders erfolgreich?

AS: Unser Lieferservice 😉 und verschiedenste Veranstaltungsangebote der Bibliothek. Wir präsentieren uns schon immer mit dem „eigenen Gesicht“ im Netz. Somit fühlen die Menschen sich mit uns verbunden und wir haben einen schönen Widererkennungseffekt erzielt. Wenn wir alles mit etwas Leichtigkeit nehmen und uns persönlich präsentieren, dann finden unsere Beiträge immer sehr guten Zuspruch!

JB: Was wünschen Sie sich Sie sich als Lehre, wenn die Krise einmal überstanden ist. Was ist für Sie am wichtigsten für die Bibliothek der Zukunft?

AS: Neues Auszuprobieren und spontan auf die Situation zu reagieren! Manchmal entstehen neue Ideen aus der Not heraus, die man dann weiterhin in der Zukunft umsetzen kann. Für uns ist es nicht abwegig, dass wir den Lieferdienst auch nach der Wiedereröffnung weiterhin für Senioren im Stadtgebiet anbieten.
In der Zukunft möchten wir unsere Türen wieder offen sehen, das Haus gefüllt mit Leben und uns weiterhin in die lokale Gesellschaft einbringen.
Es darf nicht die Frage im Raum stehen: „Was wollen wir für die Bibliothek?“ sondern „Was können wir für die Menschen in unserer Stadt tun!“

Fotos:
Abb 1. : Das Team der Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda
Abb 2.: Anne Schmidt und Beatrice Fischer beim Ausliefern der Bücher
Abb. 3: Beatrice Fischer beim Ausliefern der Bücher an Till und Pepe Seifert
© Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda

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