Erfahrungsbericht und Wunschzettel von Johannes Waldschütz, Stadtmuseum Stockach
„Sind Sie eigentlich in Kurzarbeit?“ wurde ich neulich beim Bäcker gefragt. In einer Kleinstadt kennt man sich zwar, man weiß aber zwangsläufig nicht allzu genau über den Berufsalltag des Anderen. Dass ich trotz geschlossenem Museum viel zu tun habe, muss ich meist ausführlich erklären: Vorbereitung der nächsten Ausstellung, Inventarisierung im Depot, Buchprojekt, Digitale Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr. In kleinen Museen sind wir eierlegende Wollmilchsäue, wir kuratieren, forschen und konzipieren, führen und vermitteln, sammeln, erwerben und inventarisieren, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, kommunizieren digital und bauen sogar die Sonderausstellungen auf und ab.
Wer solcherart als Allrounder unterwegs ist, kann nicht in jedem Bereich gleich intensiv arbeiten. Das merke ich in der Pandemie noch schmerzlicher. Ein wenig digitale Ausstellungskommunikation auf der eigenen Website und in den sozialen Medien ist problemlos möglich, aber Videos oder eine digitale Führung produzieren schon deutlich schwieriger und aufwendiger. Es fehlt an Technik, Sachverstand und Geld. Sich noch tiefer in den einen Bereich einzuarbeiten, hieße Anderes – etwa die Vorbereitungen für die nächste Sonderausstellung – liegenzulassen. Natürlich hat die Pandemie dazu geführt, dass wir unsere nächste Sonderausstellung im Stadtmuseum Stockach digitaler planen. Eine Förderung aus einem lokalen Fördertopf der Integrierten ländlichen Entwicklung Bodensee erlaubt es uns, eine Multimediastation zu konzipieren, in die Ausstellung zu integrieren und auch online zu präsentieren. Ob wir im Rahmen des Projekts Kulturgemeinschaften eine Förderung erhalten, um Podcasts und Videos zu produzieren, steht noch in den Sternen.
Es ist gut, dass es nun verstärkt Förderprogramme im Bereich Digitalisierung gibt. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich diese Förderung in den nächsten Jahren sich auch verstärkt an kleine Museen richtet. Projekte wie Museum 4.0 können tolle Akzente setzen und Ideen vorantreiben. Aber: Diese Projekte werden von löblichen Ausnahmen abgesehen (Fasnachtsmuseen) vor allem größeren Museen vergeben. Ähnliches gilt für das baden-württembergische Programm „Digitale Wege ins Museum“. Es ist gleichwohl grundsätzlich lobenswert, dass die im Rahmen von Museum 4.0 entwickelten digitalen Lösungen auch für andere Museen nachnutzbar sein sollen (gelungen etwa „Museumstinder“ beim Badischen Landesmuseum Karlsruhe, vgl. hier und hier). Eine solche Nachnutzung erfordert aber einen erheblichen Aufwand im jeweiligen Museum – finanzielle und personelle Ressourcen, die kleinere Häuser nicht unbedingt haben.
Künftige Programme zur digitalen Entwicklung der Museumslandschaft sollten deshalb darauf setzen, die Ergebnisse von Leuchtturmprojekten in die Fläche zu tragen und Produkte „von der Stange“ zu entwickeln. Damit meine ich digitale Plattformen, Tools und Programme, die von kleinen und mittleren Häusern relativ einfach adaptiert und umgesetzt werden können: z.B. eine Plattform für Onlineführungen und buchbare oder geförderte Pakete zur Erstellung von ebensolchen; ein Content-Management-System für Medienstationen in den Museen oder vergünstigte Lizenzen für Programme zum Schneiden von Filmen oder der Bearbeitung von Podcasts. Ergänzend bräuchte es idealerweise eine digitale Beratung der vielen kleinen kommunalen und nicht staatlichen Museen durch eine Digitalstelle, vergleichbar wie es etwa die Landesstelle für Museumsbetreuung in Baden-Württemberg schon seit vielen Jahren im Bereich Restaurierung macht.
Eine so geartete Digitaloffensive würde in die Breite wirken und dafür sorgen, dass die Schere zwischen großen Häusern mit digitalen Angeboten und kleinen, vorwiegend analogen Museen nicht größer wird. Auf solche Programme hinzuwirken, wünsche ich mir von den Museumsverbänden und Kulturpolitiker*innen. Natürlich freuen wir uns, wenn wir als Museen, sobald es die Pandemie zulässt, wieder für den Vorortbesuch öffnen können und ich halte es für äußerst wünschenswert, jetzt Konzepte zu entwickeln, wie Museen die Schulen beim Unterricht in Zeiten der Pandemie entwickeln können (Themen für einen weiteren Blogeintrag!). Die Entwicklung von Konzepten zur Digitalisierung der Museumslandschaft in ihrer ganzen Breite, ist aber mittelfristig wichtiger als die schnelle Öffnung der Museen.