Dr. Karina Iwe ist Kuratorin am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz , smac
Gerne nehmen wir an der aktuellen Blogparade #museumforfuture teil! Auch das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (kurz: smac) hat in den vergangenen Monaten umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Digitalisierung und Sichtbarkeit gesammelt – in einer Zeit, in der die Besucherströme der Museen aufgrund der weltweiten Pandemie jäh versiegten.
In dieser Ausnahmesituation, von der alle musealen Einrichtungen betroffen sind, zeigte sich zum einen die Betonung der Digitalisierung in Zeiten des Wegbrechens analoger Zugänge. Zum anderen wurde deutlich, welche Museen schon vor der Coronavirus-Pandemie den digitalen Pfad betreten hatten und diesen nun mühelos weiter begehen konnten.
Betrachtet man die Digitalisierung und das vielfältige digitale Angebot, so stellen sich mehrere Fragen hinsichtlich der Zielsetzungen: Wie lauten die Ziele der jeweiligen Angebote? Geht es um die Sichtbarkeit im unmittelbaren Umfeld des Museums? Geht es um mehr Reichweite? Werden damit konkret neue Zielgruppen ins Auge gefasst? Wollen die Häuser „einfach im Gespräch“ bleiben? Oder ist es am Ende eine Kombination?
Das digitale Angebot des smac: Highlights der vergangenen Monate
Die Coronavirus-Pandemie hat seit März 2020 mit der Schließung der Museen über mehrere Wochen und Monate deutlich gezeigt, wie plötzlich Ausstellungen vor Ort von heute auf morgen für den Publikumsverkehr nicht mehr zugänglich waren. An diese Stelle trat eine ungemeine Vielfalt von digitalen Formaten, die bspw. die digitalen Besucher*innen mit unterschiedlichen Führungen in das Museum lockten.
Ein Bereich, der bisher noch nicht vielerorts zu sehen war, sind die Online-Ausstellungen. Das smac gehört zu denjenigen archäologischen Einrichtungen, die über die Ausstellung hinaus Inhalte zu den Sonderausstellungen aufbereiten. Das noch verhältnismäßig junge Format mit dem Namen smac+ (Abb. 1) wird seit 2019 am Haus parallel zu den Ausstellungen mitgedacht. Zuletzt konnten Besucher*innen auf diese Weise aus nah und fern die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ digital besuchen und kennenlernen. Es handelt sich hierbei nicht um ein Abbild der Ausstellung vor Ort, sondern um eine zusätzliche und ausführliche Aufbereitung von Inhalten des Ausstellungsthemas. Zudem hat das smac dadurch eine gute Möglichkeit gefunden, die Ausstellungen nachhaltig zu dokumentieren. Es erscheint sinnvoll, nach einiger Zeit zu evaluieren, wie dieses Format bei den Besucher*innen angekommen ist.
Die Dauerausstellung des smac ist das Schaufenster der Archäologie Sachsens. Die archäologischen Exponate stammen von Ausgrabungen, die das Landesamt für Archäologie Sachsen (LfA) durchführte. Das LfA präsentiert seit Februar 2020 auf der Webseite „archaeo | 3D“ (Abb. 2) Visualisierungen von ausgewählten Objekten, die mit 3D-Scannern digitalisiert wurden. Die Nutzer*innen können die 3D-Modelle in den gängigen modernen Internet-Browsern auf mobilen Endgeräten und PCs von allen Seiten betrachten. Neben den Anwendungsszenarien für das Amt, bspw. Beobachtungen zum Verhalten bestimmter Konservierungsmaßnahmen, haben die digitalen Besucher*innen die Möglichkeit, die Objekte viel genauer in Augenschein zu nehmen als vor Ort im Museum. Es handelt sich hierbei um ein laufendes Projekt, das hinsichtlich der Datensätze weiter vom LfA ausgebaut wird.
Das smac hat diese innovative Plattform des LfA inzwischen mit dem eigenen 360 Grad-Rundgang auf allen drei Ausstellungsetagen verknüpft (Abb. 3). Der Rundgang wurde von team360 erstellt. Damit ist das virtuelle Betreten des Museumsinneren – auch außerhalb der Öffnungszeiten – möglich. Diese Verknüpfung erscheint mehr als sinnvoll und geht über den einfachen Rundgang hinaus, den die digitalen Besucher*innen als Format und Sehgewohnheit bereits kennen. Aktuell werden auch Videos eingebunden, die in diesem Jahr entstanden und die einige Museumsmoderator*innen des smac vorstellen, die aktuell – coronabedingt – keine Führungen anbieten können. Auch an dieser Stelle wird es zukünftig noch interessant, welche Formen der Rückmeldungen das smac von seinen digitalen Besucher*innen für dieses besondere Angebot erhält.
Über das aktive digitale Treiben hinaus, passiert im smac – wie auch bei den anderen Museen – viel hinter den Kulissen. Es gilt, auch in diesen Zeiten, eines der Kerngeschäfte des Museums fortzusetzen: die Vorbereitung von Sonderausstellungen. Die Häuser erfahren im Moment viel Unsicherheit. Es ist unklar, wann sie wieder öffnen, Ausstellungen werden mitunter verschoben, Leihverträge müssen angepasst werden. Diese Arbeit bleibt für die Öffentlichkeit im Verborgenen. Doch trotz aller Einschränkungen, gehen auch diese Aufgaben gut im archäologischen Museum in Chemnitz voran. Die Teams der geplanten Sonderausstellungen sind intensiv mit den Vorbereitungen beschäftigt (Abb. 4) und berichten darüber auf den Kanälen der Sozialen Medien, die im smac schon lange vor der Coronavirus-Pandemie eingerichtet waren.
Eine Frage der Ressourcen
Bei aller Leichtigkeit und (kostenlosen) Verfügbarkeit der Angebote, dürfen aber bestimmte und entscheidende Aspekte nicht vergessen werden.
Hinter jedem Angebot steht der Einsatz von finanziellen Mitteln für Personal und Technik. Jedes digitale Projekt bedarf auch einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters, der oder die die Ideen koordiniert und umsetzt. Am smac gibt es eine Stelle für die Digitale Kommunikation. Das ist mehr als manch anderes Museum ähnlicher Größenordnung vorweisen kann. Und dennoch zeigt sich: Gerade in diesen Zeiten, wo das Hauptaugenmerk vornehmlich auf dem Digitalen liegt, wird deutlich, dass auch dieser Bereich ausbaufähig ist – wenn man eben alle digitalen Kanäle mit ihren unterschiedlichen Zielgruppen adäquat und routiniert bespielen möchte und auch die Konzeption neuer digitaler Projekte anstrebt.
Ein weiterer wesentlicher Punkt darf nicht vergessen werden: Der Weg, und die Akzeptanz, von digitalen Angeboten, die eine Exklusivität besitzen und daher bezahlt werden müssen, scheint noch ein weiter zu sein.
Aus Fehlern (anderer) lernen
Ein Bereich, der scheinbar kaum im großen Maßstab zur Sprache kommt, ist das Thematisieren von Fehlern bzw. Aktionen, die nicht so erfolgreich liefen, wie es sich die Museumsschaffenden wünschten, bzw. keinen Anklang beim digitalen Publikum fanden. Allerorts sind an den Museen ähnliche Hürden und Aktionen zu sehen, Videos werden gedreht, 360 Grad Rundgänge entstehen, Mitmachaktionen sind verfügbar. Ein ressourcenschonender Austausch im Vorfeld wäre manches Mal sinnvoll, um nicht die Fehler anderer zu wiederholen. Zudem ließe sich durch Austausch und Vernetzung früh erkennen, welche Aktionen digital zünden und welche nicht.
Und wie reagieren die Besucher*innen?
Der spannende Bereich liegt im Feld der Besucherforschung. Was wissen wir über die digitalen Besucher*innen? Wie zählen wir sie – zusätzlich zu den analogen Besucher*innen? Wie finden wir sie bzw. wie finden sie uns im digitalen Raum, der aktuell ein (Über-)Angebot bereithält? Wie gefällt ihnen das Angebot? Wie sieht die Interaktion von Publikum und Digitalangebot aus? Gewinnen wir neue Gruppen von Besucher*innen jenseits der analogen Angebote?
Die genaue Untersuchung dieses Bereiches verspricht zukünftig noch erhellende Einblicke.
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Abb. 1 Das smac präsentiert in dem Format smac+ die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“. Der Webauftritt ist über das Ausstellungsende hinaus digital abrufbar (Screenshot smac Plus (leben-am-toten-meer.de)).
Abb. 2 Webauftritt von „archaeo | 3D“ des Landesamtes für Archäologie Sachsen mit 3D-Modellen, der zu einer virtuellen Reise durch die Archäologie Sachsens einlädt (Screenshot archaeo | 3D – Home).
Abb. 3 Der 360 Grad Rundgang ermöglicht den digitalen Besucher:innen einerseits den Blick in die Ausstellungsebenen des smac, andererseits das Anvisieren ausgewählter Exponate aus der Vor- und Frühgeschichte Sachsens mit weitergehenden Informationen (Screenshot Virtuell durchs smac (sachsen.de)).
Abb. 4 Hinter den Kulissen geht die Ausstellungsplanung im smac in großen Schritten voran. Das Museum präsentiert ab April 2021 die Sonderausstellung „Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ und berichtet bspw. darüber regelmäßig auf den Kanälen der Sozialen Medien (hier ein Ausschnitt vom Facebook-Auftritt, Screenshot)
Danke für die unermüdliche Arbeit, die ihr leistet.
Lg Emma