Prof. Dr. Bernhard Weisser ist Direktor des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin
Vor einem Jahr wurde das Corona-Virus zum ersten Mal in Deutschland registriert. Nun, ein Jahr später, sind wir inmitten der Pandemie-Krise und eines verschärften Lockdown, der vieles verändert hat. Das aus dem Englischen stammende Wort Lockdown (Abriegelung, Ausgangssperre) etwa gehörte nicht zu unserem Wortschatz. Nicht das eindeutigere Wort Massenquarantäne wird genutzt, sondern ein zuvor in Zusammenhang mit Pandemien nicht verwendeter Begriff (Neologismus). Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Begegnungen zwischen Menschen zu minimieren, um so die Infektionsmöglichkeiten zu reduzieren. Die Zahlen sind inzwischen besser als in den ersten Januarwochen, die Impfungen haben begonnen. Auf der anderen Seite begünstigt die Jahreszeit die Ausbreitung, Sorgen vor einer ansteckenderen Mutation herrschen und die Impfungen werden erst im Laufe des Jahres ihre Wirkungen entfalten. Selbst der Numismatiker und Museumsmann entwickelt zwangläufig Interesse an diesen medizinischen Fragen und Diskussionen.
Museumsschließungen sind Folge der Absicht, die Ausgangssperre wirksam werden zu lassen. Dabei spielt der Umstand, dass für die Museumsbesucher umfänglich Maßnahmen zur Kontaktvermeidung ergriffen wurden und mir kein Fall bekannt ist, in dem ein Museum oder eine Museumsveranstaltung zum ‚Hotspot‘ wurde, keine Rolle. Was soll ich in einer Stadt wie Berlin im Winter, wenn Museen, Theater und Clubs geschlossen sind, wenn keine Veranstaltungen stattfinden dürfen, wenn an vielen Orten ständig eine medizinische Maske getragen werden soll. Mittlerweile wird auch anerkannt, dass öffentliche Verkehrsmittel ein Ansteckungsrisiko bieten. Der Weg zur Arbeit dauert in Berlin im Durchschnitt eine Stunde, und dieser Weg erfolgt überwiegend mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel. Konsequenterweise muss ich nun begründen, warum Mitarbeiter nicht in das Home-Office gehen können. Dabei schätze ich es, dass der Arbeitgeber über die gesamte Zeit den individuellen Lebenssituationen (Risikogruppe, Homeschooling u.a.) Rechnung trägt.
Die Krise führt zu einem Rekord an Publikationen
In dieser Situation ist Isolierung wichtiger als eine engmaschig kontrollierte Arbeitsleistung, und was ist das Ergebnis? Jeder gibt sein Bestes unter teilweise schwierigen Bedingungen. Vertrauen zahlt sich aus, vielleicht ist auch dies eine Erkenntnis in der Krise und gibt Hoffnung für ein besseres Miteinander auf Augenhöhe. Im Fazit des Jahres 2020 stehen für das Münzkabinett über 3.000 in hoher Qualität online publizierte Münzen (das sind wenigstens 3.000 h Arbeitszeit), eine Zahl über dem üblichen Jahresdurchschnitt. Keine Anfrage blieb unbeantwortet. Bei den meisten Wissenschaftlern ist die digitale Schublade mit fast fertigen Manuskripten deutlich leerer geworden. Ich rechne mit einem Rekord an Publikationen für die Jahre 2020/21. Dies wird auch für das Münzkabinett gelten. In eingeschränkter Weise blieb das Münzkabinett für drängende Aufgaben zugänglich, so dass etwa Marguerite Butcher-Spoerri ihr Forschungsstipendium der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu den provinzialrömischen Münzen bei uns bis Ende November vollenden konnte. Das ging nur, weil die Mannschaft sinnvoll reduziert war und alle sich penibel an die AHA-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken) hielten. Dieses verantwortungsvolle Handeln gilt für die gesamten Staatlichen Museen. Zwar sind einige Mitarbeiter an Corona erkrankt, aber die jeweils von außen hereingetragene Krankheit fand in den Museen keine Weiterverbreitung.
Das neue digitale Arbeiten oder learnng by doing
Seit März haben wir neue Techniken zur Durchführung von digitalen Videoveranstaltungen erlernt, dazu musste die Ausstattung angepasst werden, was teilweise in privater Initiative erfolgte. Alle Besprechungen und Tagungen sind in den digitalen Raum verlagert, und es gibt mittlerweile eher mehr als weniger Besprechungen und Workshops.
Wir können uns aber nicht daran gewöhnen, dass es keine Besucher und Begegnungen bei Veranstaltungen mehr gibt. Jeder von uns vermisst die sozialen Kontakte. Das wird mit jedem Tag deutlicher. Seit dem Sommer haben wir einige Video-Veranstaltungen mit der Numismatischen Gesellschaft durchgeführt. Viele Mitglieder konnten sich bisher mit dem virtuellen Format nicht anfreunden. Dafür erreichen wir solche Mitglieder, die aufgrund des entfernten Wohnortes sonst nur selten teilnehmen können. Die Teilnehmerzahlen sind höher. Es gab sogar einen Antrag auf Neumitgliedschaft unter Hinweis auf das neue digitale Angebot. Wir hoffen trotzdem, bald wieder zu den elf Vortragsveranstaltungen an jedem 4. Donnerstag im Monat im Studiensaal des Münzkabinetts zurückkehren zu können. Bis dahin müssen wir uns mit digitalen Formaten behelfen. Bei geeigneten Themen werden wir zukünftig darüber hinaus an dem digitalen Videoformat festhalten, dass sich sicher noch weiter entwickeln lässt.
Die Pandemie ist nicht vorbei, noch wissen wir nicht, was daraus wird, ich bin aber dankbar für die Arbeit im Münzkabinett und das Team, das sich in der Krise bislang glänzend bewährt hat. Wir denken auch an alle, die diese Pandemie ungleich härter betroffen hat als unsere kleine Museumsgruppe bislang. Wenden Sie sich gerne jederzeit an mich, wenn Sie Fragen und Bemerkungen zu diesem Thema haben (b.weisser@smb.spk-berlin.de ).
Abb. Vorstellung des neuen Buches „Münzkabinett. Menschen Münzen Medaillen‘ am 10. Dezember 2020 in Form einer hybriden Videoveranstaltung: Johannes Eberhardt, Hermann Parzinger, Christan Stoess, Stefanie Baars, Karsten Dahmen mit Bernhard Weisser, Angela Berthold, Natali Osowski, Marjanko Pilekić, Jens Dornheim und Paul Höffgen. Fotos: Johannes Eberhardt, Kollage: Natalie Osowski.